Hörnerkopf


Thomas Blumer
http://www.skulpt.ch/
1964, Lugano

Diabas – 20 × 30 cm – 1997
Gekauft 1998 vom Künstler.
Einleitung zum 6. Bild des Monats (7. Newsletter Juli 2021)


Der Künstler

Durch meine Schwester Catherine haben wir Thomas kennengelernt. Er lebt und arbeitet in Zürich.

Thomas veredelt die nachhaltigen Gesteinsbrocken in körperlich schwerer und aufwendiger Arbeit mit Fäustel und Meissel. Die handwerkliche Herstellung der Form und Haut der Skulptur erfolgt mit Steinbildhauereisen, Schleifmaschine und Handrutschern (Siliziumschleifsteine). Er kreiert von aussen nach innen und es entsteht Unerwartetes und Humorvolles. Der kalte und «gewöhnliche» Stein erwacht unter seiner präzisen Hand zu neuem Leben und erobert unsere Aufmerksamkeit.


Hörnerkopf – Diabas – 31 × 22.5 × 13 cm – 1997

Gesteinsportrait Diabas (ein hartes Urgestein)

Es handelt sich um ein über 350 Millionen Jahre altes, am Meeresgrund erkaltetes Lavagestein (vulkanisches Ergussgestein). Es ist hart, robust und druckresistent. Die Farbe variiert von Grau bis Anthrazit im trockenen und teilweise Grünlich bis Bläulich im nassen Zustand. Diabas enthält wichtige Mineralien und Spurenelemente. Bereits in der Steinzeit wurden Werkzeuge und Waffen aus Diabas gefertigt. Heute wird er in vielseitigsten Bereichen eingesetzt: Schotter, Pflastersteine, Fugenfüller, Saunasteine, Grabsteine etc.


Meine Skulpturbetrachtung

Der Kopf ist trotz des auffälligen Ungleichgewichts perfekt proportioniert. Er erinnert an eine prähistorische Figur und ist wunderbar ausgearbeitet. Er vermischt Mensch und Tier zu einer harmonischen Gestalt. Ist es eine gottähnliche Erscheinung oder ein Fabelwesen?
Die unterschiedlichen Hörnerohren sind das Hauptmerkmal der stolzen Skulptur. Augen und Mund sind nur dezent angelegt und bewirken mit dem Schatten-und-Licht-Spiel ein freundliches Antlitz. Geliefert hat sie der Künstler auf einem weissen, schulterhohen Holzsockel. Sie/Er blickt uns an.
Sie/Er könnte uns mitteilen, dass auch unförmige Vollendung makellos sein kann. Bleib stehen und ruhe. Spitz deine Ohren und halte deine Hörner friedlich. Es ist eine Würdigung an archäologische Steinwerke, verschmolzen mit den aktuellen Themen der Abweichungen, der Ungleichheiten und Unaufmerksamkeiten der Menschen. Dem Skulpteur ist eine gegenwärtige und aussagekräftige Arbeit gelungen. Danke Thomas!


Hörnerkopf – Diabas – 31 × 22.5 × 13 cm – 1997

Austausch mit dem Künstler

Wie kommst du zu deinen Steinkunstwerken?

Die Archaik hat mich schon immer fasziniert. Steine am Wegrand oder auf Anhöhen, mit runden, von Menschen angefertigten Vertiefungen, die an Sternbilder erinnern. Vielleicht fangen die Schalen bei einem Opferritus auch Blut auf oder, ganz pragmatisch, erleuchten mit Butter gefüllt die Nacht kultisch. Schalensteine aus der Bronzezeit laden zum Fabulieren ein, ihre Zwecke sind nicht eindeutig überliefert. Da sehe ich Parallelen zu meinen Steinen.
Für die Umsetzung einer Idee beginne ich mit Kohleskizzen und fertige bei komplexeren Formen Modelle aus Weichgestein an. Im Gegensatz zur Plastik, die aufgebaut (additiv) ist, liegt mir das Substraktive der Skulptur mehr. Das langsame, behutsame Herausschälen, immer weiter verdichten, um die Form tigern, sich Zeit lassen. Um die Distanz zu wahren, arbeite ich gleichzeitig an mehreren Figuren. Der Gewöhnungseffekt birgt sonst die Gefahr, sich in die Form zu verlieben und zu früh oder zu spät mit der Feinarbeit zu beginnen. Es kann aber schon passieren, dass ich eine Figur aus dem Verkehr ziehe, etwas abschlage oder sie völlig neu überarbeite. Dass mir bei der Arbeit etwas ab- oder zerbricht, ist sehr selten. Zur Qualitätskontrolle habe ich die Skulpturen vor einem Verkauf gerne noch eine gewisse Zeit bei mir und hoffe, dass ich sie nicht zerstöre.

Wie wichtig ist dir, dass deine Kunst dich überdauert?

Nicht so wichtig, aber ein paar Steine, die mit der Zeit gehen, wären schön. Die Dauerhaftigkeit des Steins wird überschätzt. Der Steinbildhauer Peter Storrer (*1928 in Dornach SO, †2016 in Zürich) wollte sein Werk zerstören. Er stellte die Skulpturen zusammen, zündete sein Atelier an und übergoss die heissen Steine mit kaltem Wasser, in der Hoffnung, dass sie zerbersten.

Wie schaffst du es, modern zu sein?

Als Steinbildhauer habe ich künstlerische Immunität und muss mich nicht nach der Betriebsanleitung des zeitgenössischen Kunstbetriebs richten.


Weitere Werke aus der Sammlung

Steinskulptur aus Diabas – 29 × 27 × 31 cm – 2010

Kopf Umbrien – Tuff – 20 cm  – 1998